„Eberstädter Szenen“
Richard Heß‘ „Eberstädter Szenen“ sind ohne jede Frage ein echter Blickfang, und das nicht nur des ungewöhnlichen Platzes wegen, an dem das Bronzerelief zu finden ist: Auf einem Betonsockel ruht es inmitten eines künstlich angelegten Sees, im Herzen der architektonisch äußerst spannenden Anlage im Max-Ratschow-Weg. Mögen Betrachter sich beim Blick auf den See auch an die japanische Zen-Architektur erinnert fühlen: Heß‘ großes, von einem wuchtigen Betonrahmen eingefasstes Relief gemahnt mit seiner Dreiteilung an ein Triptychon, wie es oft in Kirchen zu finden ist. Bestärkt wird dieser Eindruck durch die wuchtige Betoneinfassung, die das Relief von oben einschließt und wie ein Rahmen wirkt. Bestehen allerdings die klassischen Altarbilder gemeinhin aus einer breiten, von zwei schmalen Seitenflügeln flankierten Mitteltafel, so fällt bei Richard Heß der säulenbeflankte Mittelteil klein aus – und hebt sich zudem in punkto Motivwahl stark von den dominanten Seitenteilen ab. Obendrein handelt es sich bei der Heßschen „Dreifaltigkeit“ um weltliche Motive, bei denen sogar so etwas wie Erotik hervor blitzt.
Während der Künstler, Inhaber des „Darmstädter Kunstpreises“, auf der linken Seite eine Familienszene mit Kind gestaltet, so fängt die rechte Szene einen ganz intimen Moment ein: Ein auf einer Fensterbank sitzender Mann beobachtet eine Frau beim Ausziehen. Auffällig ist, dass Heß die jeweils rechte Figur nur von hinten zeigt: Sind auf der linken Relieftafel Frau und Kind dem Betrachter zugewandt, so ist es rechts der im Halbprofil gezeigte Mann, während die entblößte Frau dem Zuschauer und ihrem Beobachter fast schamhaft den Rücken zuwendet. Den Mittelteil bevölkern scherenschnittartig angelegten Tiere, die an Illustrationen aus dem „Struwwelpeter“ erinnern. Auch ein Eber, Sinnbild für Eberstadt, ist dort zu finden. Auf der rückwärtigen Seite hat der Künstler zwei, an Jagdtrophäen erinnernde Tierköpfe montiert, die eine medaillonartige Scheibe flankieren, auf der sich drei Hasen tummeln.
Fotos: © Frank Seifert, www.frank-seifert.com; © bauverein AG, www.bauvereinag.de
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