„Frau mit Kind“

Auf den ersten Blick zeigt Richard Heß‘ „Frau mit Kind“ eine Szene voller Hingabe und Intimität: Eine nackte Frau hält ihr Kind im Arm, auf die Hüfte gebettet, den Blick ins Gesicht des Kindes gerichtet. Wer genauer hinschaut, wird jedoch stutzig. Fast fragend schaut die Mutter das Kind an, das mit trotzig zurückgeworfenem Kopf in ihrem Am liegt. Das Kind vermeidet den Blick mit der Mutter, sein Blick geht ins Leere, der Körper wirkt unnatürlich steif, ja regelrecht erstarrt.

Auch die Haltung der Mutter wirft Fragen auf. Die Schulter ist hochgezogen, den linken Arm hat sie nach hinten gedreht, so dass er auf dem Rücken liegt – eine unbequeme Bewegung, als sei sie gerade im Anziehen begriffen. Ist sie nachts vom Schreien des Kindes geweckt worden? Die Interpretation überlässt der Künstler dem Betrachter. Einen Mantel immerhin hat Heß angedeutet, er bedeckt die Schultern der Frau, während der nackte, üppig modellierte Körper dem Blick des Betrachters schutzlos ausgeliefert ist.

Wie bei so vielen seiner Skulpturen bleibt Richard Heß auch bei seiner „Mutter mit Kind“ seinem Lieblingsmotiv, dem Mensch in all seinen Facetten, treu. Wieder hat er eine Szene aus dem familiären Alltag dargestellt, wie schon in den Plastiken „Wartende “ und den „Eberstädter Szenen“ zeigt auch dieses Kunstwerk eine Konstellation aus einander verbundenen Menschen. Eine Szene, die Harmonie und Spannung gleichermaßen ausstrahlt und in der sich der Betrachter beinahe wie ein Eindringling fühlt.

 

Fotos: © Frank Seifert, www.frank-seifert.com

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