„Reiter“

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Kunst der Nachkriegsjahre stellt auch Walter Nass‘ „Reiter“ in der Kiesstraße dar. Das sechsteilige, auf zwei Geschosse verteilte Mosaik in gedeckten Erdtönen erstaunt vor allem, weil es aus der Not eine Tugend macht und die zwei in der Gebäudefront vorhandenen Fenster in das Kunstwerk integriert. Sie wirken zwar zunächst wie Fremdkörper, doch wer sich auf die gekonnte Mischung aus geschwungenen und geraden Linien sowie geometrischen Elementen konzentriert, für den werden die Hausöffnungen unsichtbar. Sie rücken aus dem Bewusstsein des Betrachters. Dies gelingt freilich nur demjenigen, der sich auf die Darstellung konzentriert, denn Nass‘ Reiter offenbart sich nicht auf den ersten Blick.

Zwar hebt sich der umbrafarbene Korpus des Mannes mit seinen langen Oberschenkeln und dem gebeugten Rücken schnell aus dem Bild hervor. Nach den beiden abgebildeten, zum Teil nur angedeuteten Pferden aber sucht man länger. Kunstvoll sind die beiden ineinander verschlungen, die von Walter Nass zur räumlichen Gliederung eingezogenen türkisfarbenen Längs- und Querlinien sind in die Körper integriert, verleihen den Hälsen etwas giraffenartiges.

Wie wenig Wert der Künstler auf eine korrekte anatomische Darstellung legt, zeigt sich an Pferden und Reiter: Die streichholzdünnen, in Relation zum Restkörper deutlich zu lang geratenen Oberschenkel des nur grob gezeichneten und etwas bucklig wirkenden Mannes umfassen einen auffällig gerundeten Pferdeleib, dessen Beine sich jedoch im Mosaik verlieren.

 

Fotos: © Frank Seifert, www.frank-seifert.com

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